Arbeitsteilung in der Uhrenindustrie

Im vorindustriellen Zeitalter wurden Taschenuhren von handwerklichen Uhrmachern in Einzelanfertigung hergestellt, eingehaust und im eigenen Laden verkauft. Als mit dem Einzug der Maschinenfertigung Uhren in großen Stückzahlen hergestellt werden konnten, entkoppelte sich der Vertrieb und die Herstellung von Uhrwerken und Uhrengehäusen, die von verschiedenen Herstellern durchgeführt wurde. Die fertigen Uhren wurden erst beim Uhrmacher, der zunehmend die Eigenfertigung aufgab, fertig montiert, justiert und anschließend verkauft.

Gruen Precision Watch C. H. Case & Co. (1)
Gruen Precision Watch von ca. 1903-1910 mit zusätzlicher Bezeichnung des Uhrmachers C.H. Case & Co. aus Hartford, CT, Foto mit freundlicher Genehmigung von fhwatch (http://www.ebay.com/sch/fhwatch/m.html?)

Um zu kaschieren, dass die Uhrwerke keine Eigenproduktion mehr waren, wurden noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts viele Uhren auf dem Zifferblatt und teilweise auch dem Uhrwerk mit dem Namen des Uhrmachers versehen. Die Hersteller der Uhrwerke sahen dies nicht gerne, da ihnen damit ein wichtiger Hebel für ihre Markenbildung genommen wurde. Von Hans Wilsdorf, dem Gründer der Uhrenmarke Rolex, ist überliefert, dass er sozusagen in Guerilla-Manier die von ihm belieferten Uhrmacher dazu brachte, Rolex-Uhren zu verkaufen. Da de Uhren in 6er-Kartons an die Händler und Uhrmacher ausgeliefert wurden, bestückte er zunächst nur eine von 6 Uhren mit seinem Markennamen, später zwei und dann immer mehr.[1]

Ab 1900 und zunehmend ab 1910 kurbelten viele Uhrwerkshersteller die Nachfrage nach ihren Produkten auch durch Anzeigenwerbung in lokalen und überregionalen Zeitungen und Zeitschriften an. Die lokalen Uhrmacher merkten recht schnell die stärkere Nachfrage nach diesen beworbenen Uhrmarken, wodurch die Verkaufszahlen stetig stiegen. Die Bedeutung der lokalen Uhrmacher und ihrer handwerklichen Marken nahm in der Folge immer mehr zurück, so dass den Uhrmachern zunehmend die Rolle von Verkaufs- und Reparturbetrieben zufiel. Spätestens ab den 1920er Jahren und dem Aufkommen der Arbanduhren hatte sich das Bild dann komplett gedreht, da es kaum noch Uhrmacher gab, die eigene Uhren herstellten oder zukaufte Uhren mit eigenem Namen versahen.

Gruen Precision Curvex, 311-228 (5)
Uhrengehäuse einer Gruen Curvex von Wadsworth, Foto mit freundlicher Genehmigung von clint16 (http://www.ebay.com/sch/clint16/m.html?)

Dennoch blieb die Arbeitsteilung zwischen Uhrwerks- und Uhrgehäuseherstellern weitgehend erhalten. Zunehmend kauften aber die Uhrwerkshersteller bestehende Gehäusehersteller auf oder bauten eine eigene Fertigung auf, so dass vielfach nur noch Sondermodelle oder Produktionsspitzen über Dritthersteller abgedeckt wurden.  Außerdem wurde die Ferigung abhängig vom Material der Uhrengehäuse teilweise ausgelagert, da massive Goldgehäuse eine andere Fertigung und Sicherheitsstufe erforderten als beispielsweise die frühen Nickel- oder die späteren vergoldeten oder Edelstahlgehäuse.

Die Fa. Gruen hatte schon früh enge geschäftliche Beziehungen zur  Queen City Watch Case Mfg Co. aus Cincinnatti/OH aufgebaut. Als Gruen & Sons dann im August 1898 von Columbus nach Cincinnatti umzog, bezog man Räumlichkeiten im selben Gebäude wie die  Queen City Watch Case Mfg Co. Zugleich wurde Gruen Generalvertreter und einige Jahre später exklusiver Vertreter der handgefertigten Uhrengehäuse von Queen City. Somit war der Schritt nicht mehr weit bis zur vollständigen Übernahme und Umbennenung in „The Gruen National Watch Case Company of Cincinnati“ im Jahr 1902. Allerdings sollte es noch zwanzig Jahre bis zum Jahr 1922 dauern, bis die Tochtergesellschaft mit der Muttergesellschaft verschmolzen wurde.[2]

Im Laufe der Jahre arbeite Gruen auch noch mit vielen anderen Gehäuseherstellern zusammen. Namen, die sich häufig im Inneren der Uhrendeckel von Gruen-Uhren wiederfinden sind u.a. in abnehmender Bedeutung: Wadsworth Watch Case Co., Star Watch Case Co., Fahys Watch Case Company, Albert Weber Uhren-Gehäuse Fabrik, and Solidarity Watch Case Co.

 

_______________

[1] N.N.: Die Rolex-Story: Die Legende Rolex, Bilanz – Das Schweizer Wirtschaftsmagazin, http://www.bilanz.ch/unternehmen/die-rolex-story-die-legende-rolex, 11.4.2016
[2] Kent (National Association of Watch & Clock Collectors): Queen City Watch Case Mfg Co., http://mb.nawcc.org/showwiki.php?title=Queen_City_Watch_Case_Mfg_Co, 11.4.2016