Gruen besaß im Gegensatz zu vielen anderen amerikanischen Uhrenfirmen bereits früh eine eigene Manufaktur von Uhrwerken und war daher nicht oder nur sehr wenig auf fremde Uhrwerke angewiesen. Selbst die in den Anfangsjahren fremd produzierten Uhrwerke, die zugekauft werden mussten, da die eigene Produktion noch nicht ausreichend war, beruhten meist auf eigenen Konstruktionen oder Modifikationen. Man findet heute mehr als 150 Uhrwerke und deren Varianten, die mit einer eigenen Gruen-Kaliberbezeichnung versehen wurden. Erst nach der Auflösung der Hauptverwaltung in Cincinnati im Jahr 1958 und dem späteren Verkauf der eigenen Uhrwerksproduktion in Biel/Schweiz wurden zunehmend Fremduhrwerke schweizer und deutscher Herkunft verbaut. Da es sich hier um hochwertige mechanische Uhrwerke handelte, sind diese Uhren auch heute noch bei Liebhabern und Sammlern gefragt. Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre begann dann der Siegeszug der elektronischen Uhren, die allerdings noch kein Quarzuhrwerk hatten. Auch diese Uhren meist europäischer Herstellung finden zunehmend das Interesse der Sammler. Erst ab den 1970er Jahren wurden dann billige und qualitativ wenig anspruchsvolle Quarz-Uhren meist asiatischer Herkunft unter dem Namen Gruen verkauft, die nur in den seltensten Fällen im Gebrauchtmarkt einen Abnehmer finden.
Uhrwerksbezeichnung
Die Uhrwerke wurden fast ausschließlich mit dreistelligen Ziffern bezeichnet, denen teilweise vorne oder hinten Buchstaben angehängt wurden. Die Buchstaben dienen der Unterscheidung bestimmter Komplikationen, falls von einem Uhrwerk verschiedene Varianten hergestellt wurden. Im Einzelnen bedeutet:
Gruen Precision 17 Jewels mit N510SS Uhrwerk, Foto: Peter Schill |
PRÄFIX (Buchstaben vorangestellt)
N = No fixed stud carrier (?) (beweglicher Spiralklötzchen-Träger)
SUFFIX (Buchstaben hinten angehängt)
C = Curved (gewölbte Zifferblattseite)
CA = Calendar (Monatstag)
CD = Calendar, Day (Monatstag, Wochentag)
DD = Duo Dial (mit zweitem Zifferblatt)
R = Resistant (Stoßsicherung)
RI = Reserve Indicator (Gangreservenanzeiger)
SS = Sweep Second (Zentralsekunde)
Uhrwerksformen
a) rund
(engl. round)
Rundes Uhrwerk einer Damenarbanduhr mit Dietrich Gruen & Söhne-Logo, ca.1915 Foto: Peter Schill |
Bis in die 1920er Jahre waren alle Uhrwerke rund, was mit der runden Form der Taschenuhren und dem runden Zifferblatt mit umlaufenden Zeigern erklärt werden kann. Durch vielerlei Innovationen in der Uhrwerkstechnik trat die runde Uhrwerksform in den Folgejahren in den Hintergrund.
Erst mt den Gruen Veri-Thin Panamerican-Modellen mit zentralem Sekundenzeiger wurden die runden Uhrwerke Mitte der 1940er Jahre wieder populärer und seit den 1950er Jahren bis in die heutige Zeit sind runde Uhrwerke nahezu zum Standard geworden.
b) rechteckig
(engl. rectangle, tank shape)
Gruen Damenuhr der Cartouche Baureihe mit Kaliber 835, ca.1923, rechteckig mit abgeflachten Ecken, Foto: Peter Schill |
jeweils zwei gegenüber liegende Seiten parallel zueienander, dabei bei gegenüberliegende Seiten länger als die beiden anderen, Ecken entweder abgerundet oder abgeflacht
In den 1920er Jahren wurden mit zunehmender Popularität von Armbanduhren auch rechteckige Uhren populär. In rechteckigen Uhrgehäusen passten sich rechteckige Uhrwerke besser ein, als die bis dahin verwendeten runden. Gruen war mit der Gruen Cartouche-Damenuhr von 1921 einer der Pioniere bei eckigen Uhrwerken. In zeitgenösssichen Anzeigen wurden die rechteckige Form der Gruen Cartouche als "die logische Armbanduhr-Form" bezeichnet. Die Ecken der Uhrwerke sind meist abgerundeten oder abgeflacht.
c) tonnenförmig, fassförmig
(engl. tonneau, cask shape)
Gruen Quadron Herrenarmbanduhr, Kaliber 157, ca. 1927, tonnenförmig, Foto: Peter Schil- zwei gegenüberliegende Seiten des Uhrwerks sind gebogen, die anderen zwei gerade und parallel |
Die tonnenförmigen Uhrwerke sind eine Abwandlung der rechteckigen Uhrwerke und wurden in Gruen-Uhren erstmals ab 1925 in der Quadron-Baureihe eingesetzt. Auch sie haben den Vorteil, dass sie ein rechteckiges Gehäuse effektiver ausnutzen als ein rundes Uhrwerk. Die leichte Rundung von zwei Seiten erlaubt den Einsatz einer etwas vergrößerten (runden) Unruh.
Die Quadron-Baureihe waren die erste kommerziell erfolgreiche und komplett eigenständige Armbanduhrserie für Herren von Gruen. Sie wurden von 1925 bis Anfang der 1930er Jahre in verschiedenen Modellen und Varianten gebaut. Die innovativen Uhrwerke und das elegante Art Deco Design wurde von vielen Mitbewerbern kopiert.
d) kissenförmig
(engl. cushion shape)
Gruen Veri-Thin, Herrenarbanduhr, Kaliber 430, ca. 1944, kissenförmig, Foto: Peter Schil |
Kissenförmige Uhrwewerke sind an allen vier seiten des Uhrwerks gebogen. Im Gegensatz zu den ovalen Uhrwerken weisen sie allerdings vier stumpfe Ecken auf.
Kissenförmige Uhrwerke und die weiter unten vorgestellten ovalen Uhrwerke stellen einen Kompromiss zwischen den runden und den eckigen Kaliber-Bauformen dar. Während die runden Bauformen den Rundungen der Räderwerke entgegenkommt, optimieren die eckigen Bauformen die Ausnutzung des Platzes in einem eckigen Uhrgehäuse. Daher haben sich die beiden letzgenannten Formen neben den tonnenförmigen Uhrwerken in späteren Jahren für eckige Uhren durchgesetzt.
e) oval
(engl. oval, egg shape)
Gruen Precision Damenarmbanduhr, Kaliber 225RSS, oval, Foto: Peter Schill |
Die ovalen Uhrwerke besitzen wie die kissenförmigen Uhrwerke vier gerundete Seiten, haben aber im Gegensatz zu diesen keine oder nur angedeutete Ecken.
Ovale Uhrwerke wurden vor allem bei sehr kleinen Uhrwerken für Damenarmbanduhren eingesetzt, da sie dem Umriss des Räderwerks folgen und kaum Toträume aufweisen. Das nebenstehende Foto des Kalibers 225RSS zeigt dies sehr deutlich.
Die sehr kompakte Bauweise ist bei Reparaturen und beim Service auch eine Herausforderung für jeden Uhrmacher.
f) gebogene Uhrwerke
(engl. curved)
Gruen Curvex Precision, Herrenarmabanduhr, Kaliber 370, ca. 1950, gebogen, Foto: Peter Schill |
Eine Spezialform der oben genannten Uhrwerke sind die gebogenen Kaliber der Curvex Baureihe. Diese sind rechteckig aber weisen in der dritten Dimension eine Krümmung auf. Dabei ist sowohl das Zifferblatt als auch die Rückseite des Uhrwerks gebogen.
Die gebogenen Curvex-Uhren für Herren sind eine patentierte Spezialentwicklung von Gruen und kamen 1935 mit dem Kaliber 311 erstmalige auf den Markt.1936 folgte das Kaliber 330 und 1940 das Kaliber 440. Die größte Krümmung wies aber das zuletzt hergestellte Kaliber 370 von 1948 auf, das bis 19951 gebaut wurde.
Auch bei den Damenarmbanduhren gabe es Curvex-Uhren, die aber wie das Kaliber 520 nur leicht gebogen waren.
Gruen stellte auch Herren-Armbanduhren her, bei denen nur das Zifferblatt und nicht das ganze Uhrwerk gebogen war. Diese Uhren haben von oben betrachtet die Anmutung einer Curvex, werden aber nicht zu der Curvex-Modellreihe gezählt. Sie führen in der Kaliberbezeichnung den Zusatz C für "curved" (engl. für gebogen).