1894 – Glashütte

Frederick Gruen lernte während seiner Schulzeit bei der Glashütter Uhrenschule 1892-1893 das Mitglied des Aufsichtsrates der Deutschen Uhrmacherschule und Glashütter Uhrenfabrikanten Paul Aßmann (geb. 28.8.1854) kennen. Paul Aßmann hatte nach dem Tod seines Vater und Firmengründers Julius Aßmann 1886 die Leitung der J. Assmann, Deutsche Anker-Uhrenfabrik, Glashütte i.S. übernommen. Julius Aßmann war neben Adolph Lange, Adolf Schneider und Moritz Großmann einer der vier großen Uhrenfabrikanten in Glashütte. Sein Sohn Paul erkannte im Gegensatz zu den anderen Uhrenfabrikanten in Glashütte jedoch sehr früh, dass die in der Schweiz und Amerika übliche Schablonenfertigung der Uhren, die eine kostengünstige Massenfertigung erlaubte, der eher manufakturell geprägten  Glashütter Uhrenfertigung in Effizienz und unter Kostengesichtspunkten überlegen war.

1894, Gründungsfeier der Gruenschen Uhrenfabrikation Gruen und Assmann
1894, Gründungsfeier der Gruenschen Uhrenfabrikation Gruen und Assmann

Im Jahre 1894 beschlossen Frederick Gruen und dessen Vater Dietrich mit Paul Aßmann die „Grünsche Uhrenfabrikation Grün und Assmann“, zu gründen. Diese bestand parallel neben der bisherigen Uhrenfabrik Assmann. Aus den USA wurden spezielle Maschinen eingeführt, die eine deutlich effizientere Produktion erlaubten und sich nur noch zum Teil auf die arbeitsteilige Glashütter feinmechanische Industrie stützten.

Die Firmengründer Dietrich und Frederick Gruen entwickelten mit den von  Frederick auf der Uhrmacherschule erworbenen Kenntnissen ein neues auf der Basis einer Schablonenuhr aufgebautes Präzisionstaschenuhrwerk nach Glashütter Qualitätsstandards. Das Uhrwerk erhielt den Namen „Fortschritt“, der zugleich für die Idee hinter der Unternehmung stand. Das Uhrwerk verwendete den von Dietrich Gruen entwickleten Sicherheitstrieb („Safety Pinion“), verzichtete aber auf den Glashütter Ankergang und die ansonsten in Glashütte verwendeten Schwanenhals-Feinregulierung.[1]

1894, Uhrwerk 'Fortschritt
sehr frühes Uhrwerk von 1894 der Marke ‚Fortschritt aus der Produktion von Gruen-Assmann in Glashütte, (C) Peter Schill

Die Produktionskapazität der Firma J. Assmann in Glashütte betrug in den frühen 1890er Jahren gerade mal 300 Uhren pro Jahr. Die fortschrittlichen Fertigungsmethoden erweiterten die Kapazität von Assmann und Gruen-Assmann bereits 1895, im ersten Jahr nach der Gründung, auf 1800 Rohwerke. Die tatsächliche Produktion lag aber vermutlich deutlich darunter. [1]

Der Grund war die geringe Nachfrage nach Gruen-Uhren in Übersee. Der Verkauf der Uhren in den USA gestaltete sich am Anfang schwieriger als erwartet. Die neue Firma musste in den USA erst ein Vertriebsnetz aufbauen und der Markenname Gruen hatte noch nicht den Klang späterer Jahre. Vater und Sohn Gruen reisten durchs ganze Land, um Juweliere und Uhrmacher für den Vertrieb der eigenen Produkte zu gewinnen. Hinzu kam die schwere wirtschaftliche Depression in den USA, die 1896 ihren Tiefpunkt erreichte. Speziell Luxusgüter, wie Uhren waren in dieser Zeit schwer verkäuflich. Die Gruens mussten sich wiederholt Geld leihen und spielten sogar mit dem Gedanken, ihr Geschäft wieder aufzugeben.[2]

Bis zum Jahr 1897 wurden, wie man anhand der Seriennummern nachverfolgen kann, nur rund 800 Uhren verkauft. Die Fertigung begann 1894 mit der Werknummer 62000 und die Uhrwerke trugen die Firmenbezeichnung „D.Gruen & Son“.[3] 1897 trat dann auch Fredericks jüngerer Bruder George in das Unternehmen ein. Auch ab 1897 und in etwa der Werknummer 62800 tauchen dann die ersten Uhren mit der neuen Firmenbezeichnung „D.Gruen & Sons“ auf.[4]

Am 29. April und dann noch einmal am 30. Juli 1897 ereignete sich zwei Naturkatastrophen, die dem Gemeinschaftsunternehmen ein jähes Ende bereiteten.

Im April führte ein schwerer Wolkenbruch mit Hagel zu schweren Überschwemmungen in Glashütte. Im Garten der Uhrmacherschule lagen die Hagelkörner über einen halben Meter hoch. [5]

Im Juli potenzierte sich der Schaden nach einem zwanzig Tage andauernden Regen und einem Wolkenbruch über dem Kamm des Osterzgebirges. Innerhalb von 24 Stunden vom Mittag des 29. Juli bis zum darauffolgenden Tag fielen 140 mm Niederschlag pro Quadratmeter. Der Wasserspiegel der durch Glashütte fließenden Müglitz, die bereits am Morgen des 30. Juli beträchtlich angeschwollen war, stieg bis um halb zehn Uhr morgens um über einen Meter und riss Brücken und Gebäude mit sich. Auch in benachbarten Regionen Sachsens, so beispielsweise entlang der Weißeritz und in Dresden wurden unzählige Gebäude zerstört und es waren auch viele Todesopfer zu beklagen. [6]

1897-07-30, Überschwemmung Glashütte, Hotel zur Post
30.07.1897, Hochwasser der Müglitz in Glashütte/Sachsen, das rechte Gebäude beherbergte die Gruen-Assmannsche Rohwerkefertigung

Die „Grünsche Uhrenfabrikation Grün und Assmann“ hatte Produktionsräume in der Nähe des Flusses und im Untergeschoss der Firma waren die wertvollen Fertigungsmaschinen platziert. Diese wurden durch das Hochwasser stark beschädigt und teilweise komplett zerstört. Assmann und Gruen standen kurz vor einem Ruin und sahen sich nun vor der Herausforderung, entweder neue Maschinen zu kaufen oder die Produktion einzustellen. Da einerseits die finanziellen Mittel bei beiden Partnern knapp waren und die anderen Uhrenfabrikanten in Glashütte den neuen Fertigungsmethoden nicht gerade aufgeschlossen gegenüber standen, andererseits aber in der Schweiz andere Uhrwerkshersteller gerne bereit waren, die Produktion der Uhrwerkskomponenten zu übernehmen, entschieden sich die Partner, die Produktion von Rohwerken in Glashütte nicht wieder aufzunehmen. [7]

Bis zur Einstellung der gemeinsamen Produktion nach der Hochwasserkatastrophe im Jahr 1897 wurden in Glashütte knapp 3000 Rohwerke überwiegend für den Export nach Übersee produziert.

Auch wenn die Maschinen nach der Flutkatastrophe zerstört waren, wurden aus den bereits vorhandenen Vorprodukten noch bis zur Jahrhundertwende Rohwerke vollendet. Die Produktion in Glashütte endete irgendwann vermutlich 1902, spätestens aber 1904 [8] und in etwa bei der Werknummer 67300, was einer theoretischen Gesamtproduktion in Glashütte von über 5000 Rohwerken entspricht. Während bis mindestens zur Werknummer 66939 noch die geteilte 3/4 Platine des Werks „Fortschritt“ verwendet wurde, kam spätestens ab der Werknummer 67215 wieder das traditionelle Glashütter Uhrwerk mit 3/4 Platine, Glashütter Hemmung und Schwanenhalsregulierung zum Einsatz. Daraus lässt sich schliessen, dass für die letzten Gruen-Uhren aus Glashütte nicht mehr genügend Rohwerketeile vorhanden waren.[8]

Schriftzug Dresden
Schriftzug Dresden auf Gruen-Taschenuhren der Uhrwerksnummern ca. 66.000 – 68.000

Die Uhren ab ca. der Uhrwerksnummer 66000 aufwärts tragen auf der Platine des Uhrwerks die Bezeichnung Dresden mit einem stilisierten G, der den Buchstaben s umschlingt. Ob das G für Gruen oder für Glashütte steht, ist nicht bekannt. Uhren mit dieser Bezeichnung waren  für den Export in die USA bestimmt, die eine Herkunftsbezeichnung des Uhrwerks zwingend vorschrieben. Da Glashütte aber in der breiten Öffentlichkeit außerhalb von Deutschland zu dieser Zeit noch weitgehend unbekannt war, wählte man, wie auch einige andere Hersteller aus Glashütte, den Namen der nächst größeren Stadt Dresden. Ein sonstiger Bezug zur sächsischen Landeshauptstadt, beispielweise eine Endfertigung der Rowerke in Dresden, ließ sich nicht bestätigen.

Etwa um die Jahrhundertwende begann das Geschäft anzuziehen. Die Kunden und der Handel fassten Vertrauen zur Marke und es wurde endlich Geld verdient. Die Gruens konnten ihre Schulden zurückzahlen.[9]

Gruen entwickelte nach der Flutkatastrophe neue Schablonenuhrwerke und verlagerte die Produktion von Rohwerken in die Schweiz. Die Schweizer standen auch den fortschrittlichen amerikanischen Fertigungsmethoden weitaus offener gegenüber. In Glashütte begegnete man den Amerikanern mit ihren revolutionären Ideen immer ein wenig skeptisch, während sie in der Schweiz mit offenen Armen empfangen wurden.

Für den deutschen Partner des Joint-Ventures war die Naturkatastrophe der Anfang vom Ende. Paul Aßmann stand vor erheblichen finanziellen Schwierigkeiten und war noch im selben Jahr gezwungen, einen Partner in sein Stammgeschäft aufzunehmen. Dieser Partner war Herr Georg Heinrich, bis dato kaufmännischer Leiter und Vertreter der Firma A. Lange & Söhne, Glashütte, einem seiner größten Konkurrenten.

1927-08-07, Überschwemmung Glashütte 1927
Erneute Überschwemmung von Glashütte im Jahr 1927

Wenige Jahre später, im Jahr 1900, wurde die Firma „Deutsche Präzisions-Taschenuhren-Fabrik J. Assmann Glashütte i. S.“ Mitglied in der Schweizerischen Uhrmacher Genossenschaft „Union Hologére Gesellschaft vereinigter Schweizer und Glashütter Uhrenfabrikanten“. Auf Druck der anderen deutschen Hersteller, die einen Namensstreit vom Zaun brachen und die Schweizer wieder aus Deutschland drängen wollten, musste die Firma J. Assmann 1904 wieder aus der Genossenschaft austreten. In der Folge der Produktionsunterbrechung während des ersten Weltkriegs sah sich der Inhaber Georg Heinrich, der die Familie Aßmann komplett aus dem Unternehmen herausgekauft hatte, dann selbst gezwungen, das Unternehmen im Jahr 1917 an die Thüringer Uhrenfabrik Edmund Herrmann zu verkaufen. Die Firma J. Assmann war ab diesem Zeitpunkt nur noch eine Zweigniederlassung und wurde nach der Insolvenz der Mutterfirma im Jahr 1926 komplett geschlossen.

Der Versuch eines Neuanfangs durch Fritz Aßmann, einem Sohn des 1911 verstorbenen Paul Aßmann, scheiterte – als Ironie der Geschichte – erneut an einem Hochwasser der Müglitz im Jahr 1927.[10]

Der älteste Sohn von Paul Aßmann, Ernst Aßmann (8.10.1981-3.1965), besuchte zu Beginn des Jahrhunderts ebenfalls die Deutsche Uhrmacherschule in Glashütte. Vermutlich gegen den Willen des Vaters, der den Sohn gerne im ehemaligen Familienbetrieb gesehen hätte, folgte er 1905 einer Einladung der Gruens in die USA, wurde 1914 amerikanischer Staatsbürger und arbeitete bis an sein Lebensende bei der späteren Gruen Watch Co. in Cincinnati in leitender Stellung. Seine Nachfahren leben noch heute in den USA. [10]


[1] Donner, Hans-Georg: http://www.glashuetteuhren.de/die-uhrenfabriken/j-assmann-glashuette-i-sa-deutsche-anker-uhren-fabrik-1/gruenschen-uhrenfabrikation-gruen-und-assmann/, 24.8.2015
[2] Fuller, Eugene T.: The Priceless Possession of a Few, Supplement to the Bulletin of the National Association of Watch and Clock Collectors, Inc., 1974, S. 14
[3] N.N.: Die Zusammenarbeit der Firmen D. Gruen und J. Assmann,
[4] Fuller, Eugene T.: The Priceless Possession of a Few, Supplement to the Bulletin of the National Association of Watch and Clock Collectors, Inc., 1974, S. 12 ff.
[5] N.N.: Die Hochflut im Jahre 1897, Festschrift zum 400jährigen Stadtjubiläum 1906, http://www.glashuetteuhren.de/historische-entwicklungen/unwetterkatastrophe-1897/, 24.8.2015

[6] N.N.: 29./30. Juli 1897, https://de.wikipedia.org/wiki/Hochwasser_und_Naturkatastrophen_in_Sachsen, 24.8.2015
[7] Donner, Hans-Georg: http://www.glashuetteuhren.de/historische-entwicklungen/unwetterkatastrophe-1897/, , 24.8.2015
http://www.glashuetteuhren.de/app/download/4046977351/Assmann-Gruen.pdf?t=1431676838, 24.8.2015
[8] Donner, Hans-Georg, 22.09.2025
[9] Fuller, Eugene T.: The Priceless Possession of a Few, Supplement to the Bulletin of the National Association of Watch and Clock Collectors, Inc., 1974, S. 15
[10] N.N.: J. Assmann Deutsche Anker-Uhren-Fabrik Glashütte i. Sa., https://de.wikipedia.org/wiki/J._Assmann_Deutsche_Anker-Uhren-Fabrik_Glash%C3%BCtte_i._Sa., 24.8.2015
[11] N.N.: Assmann, Ernst (geb. 1881), http://watch-wiki.org/index.php?title=Assmann,_Ernst_(geb._1881), 24.8.2015